Chronobiologie, Chronomedizin und Chronotherapie
Im Fokus unseres heutigen Schlafmagazin-Artikels stehen die Chronobiologie und die Chronomedizin sowie die damit in Verbindung stehende Chronotherapie. Die Vorsilbe „chrono“ stammt dabei aus dem Altgriechischen und bedeutet Zeit.
Die Chronobiologie ist ein Teilgebiet der Biologie, das sich mit der zeitlichen Organisation von physiologischen Prozessen und sich wiederholenden Verhaltensmustern beschäftigt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von biologischen Rhythmen, vom Biorhythmus und auch von der inneren Uhr bzw. den inneren Uhren. Dies betrifft nicht nur den Menschen, sondern alle Organismen. So haben auch Bakterien oder Pilze innere Uhren.
Die Chronomedizin bzw. Chronotherapie versucht die Erkenntnisse der Chronobiologie zu nutzen, um Krankheiten vorzubeugen bzw. die Behandlung von Krankheiten zu optimieren.
Nachfolgend haben wir für Sie verschiedene Fragen rund um die Chronobiologie und Chronomedizin gesammelt und für Sie die Antworten zusammengetragen. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre, viele neue Erkenntnisse und allzeit guten Schlaf!
- Wie wird die innere Uhr gestellt?
- Was hat es mit den Chronotypen auf sich?
- Zu welcher Uhrzeit sollte man ins Bett gehen?
- Wann sollte man essen?
- Welche Auswirkungen hat eine Lebensstil, der den natürlichen bzw. biologischen Tagesrhythmus missachtet?
- Was passiert im Laufe des 24-Stunden-Tages-Nacht-Rhythmus im Organismus?
- Zu welcher Uhrzeit wirkt welches Medikamente am besten?
- Wann ist das Schmerzempfinden reduziert?
- In welchem Zeitrahmen treten Schlaganfälle und Herzinfarkte häufiger auf?
Wie wird die innere Uhr gestellt?
Jede Zelle unseres Körpers hat ihren eigenen Taktgeber, ihre eigene innere Uhr, die Prozesse ein- und ausschaltet. Diese Vielzahl unterschiedlicher innerer Uhren im Organismus wird von einer Hauptuhr gesteuert. Diese Hauptuhr ist der Nucleus suprachiasmaticus (kurz: SCN) im Gehirn. Der SCN ist ein reiskorngroßer Nervenknoten an der Kreuzung des Sehnervs. Dort empfängt er Signale von den Sinneszellen der Augen, die auf das Tageslicht reagieren.
Als Taktgeber bestimmt der SCN die inneren Uhren der Zellen, und die Gene in den Zellen starten analog zum Tagesverlauf die jeweiligen Prozesse für ihren spezifischen Funktionsbereich.
Alle inneren Uhren des Organismus sollen im Gleichklang „ticken“ und synchron zum Tagesrhythmus laufen.
Der wichtigste Orientierungsfaktor für die inneren Uhren ist das Licht. Daneben spielen aber auch körperliche Bewegung, Nahrung und vieles mehr eine Rolle für den Biorhythmus.
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Was hat es mit den Chronotypen auf sich?
Der innere Rhythmus ist bekanntlich nicht bei allen Menschen gleich. Ob man erst abends in Schwung kommt oder gleich nach dem Aufstehen fit und leistungsfähig ist, wird von den Genen bestimmt. Die Chronomedizin hat dazu bereits Testverfahren entwickelt, um den individuellen Chronotyp zu bestimmen. Dazu werden bestimmte Gene, die zu unterschiedlichen Tageszeiten aktiv sind, im Blut oder in den Haarwurzeln genauer untersucht. Lassen sich beispielsweise in einer Probe, die dem Probanden um 9 Uhr morgens entnommen wurde, überwiegend Gene nachweisen, die normalerweise um 6 Uhr morgens aktiv sind, handelt es sich bei dem Probanden um einen späten Chronotypen.
Eine Abweichung der inneren Uhr von der äußeren Zeit um etwa drei Stunden ist recht häufig.
Das Wissen um eine abweichende innere Uhr kann für die Einnahme von Medikamenten oder den Therapieerfolg von großer Bedeutung sein. Ist z. B. ein Medikament für die Einnahme am Abend vorgesehen, so bedeutet dies für eine Person mit regelmäßigem Rhythmus, dass sie das Medikament gegen 19:00 Uhr einnehmen sollte. Für eine Person, deren innere Uhren um drei Stunden „nachgehen“, wäre der optimale Zeitpunkt für die Einnahme am Abend dementsprechend erst gegen 22:00 Uhr.
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Zu welcher Uhrzeit sollte man ins Bett gehen?
Grundsätzlich ist die beste Schlafenszeit individuell sehr unterschiedlich. In der Chronobiologie unterscheidet man in diesem Zusammenhang auch zwischen Früh- und Spättypen und innerhalb dieser Einteilung zwischen extremen, moderaten und leichten Typen.
Extreme Frühtypen begeben sich bereits vor 21:30 Uhr ins Bett. Dieser Typ ist hierzulande mit nur einem Prozent Anteil sehr selten. Moderate Frühtypen finden zwischen 21:30 Uhr und 22:30 Uhr den Weg in die Federn und sind in Deutschland auch eher weniger verbreitet. Wer im Zeitfenster von 22:30 Uhr bis 23:30 Uhr den Weg in die Schlafstätte antritt, gehört zur Gruppe der leichten Frühtypen, wozu gut ein Fünftel aller Deutschen zählt.
Wer zwischen 23:30 Uhr und 0:30 Uhr zu Bett geht, ist der so genannte Normaltyp – mit einem Anteil von knapp einem Drittel die größte Gruppe in Deutschland.
Der leichte Spättyp schlüpft zwischen 0:30 Uhr und 1:30 Uhr unter die Decke, während der moderate Spättyp die Augen im Zeitraum von 1:30 Uhr bis 2:30 Uhr zum Schlafen schließt. Mit einer Zubettgehzeit nach 2:30 Uhr findet sich der extreme Spättyp als Letzter im Bett ein.
Wann sollte man essen?
Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge, hängen auch die Essenszeiten mit der inneren Uhr zusammen. So soll eine Nahrungsaufnahme, die nicht im Einklang mit der inneren Uhr erfolgt, zu einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Übergewicht und Typ-2-Diabetes führen.
Analog zum Schlaf-Wach-Rhythmus gibt es im Körper auch eine Art Hunger-Rhythmus, welcher sich in etwa alle vier Stunden durch ein einsetzendes Hungergefühl bemerkbar macht. Nehmen wir zu häufig Snacks oder Mahlzeiten zu uns, gerät der Hunger-Rhythmus des Organismus aus dem Takt, was negative Konsequenzen für das Körpergewicht und den Gesundheitszustand hat.
Generell kann man sagen, dass ein spätes Abendessen ein Störfall für den Biorhythmus ist. Unabhängig vom Chronotyp, sollte man versuchen, zwischen dem Schlafengehen und der letzten Nahrungsaufnahme einen Zeitraum von drei Stunden einzuhalten.
Welche Auswirkungen hat eine Lebensstil, der den natürlichen bzw. biologischen Tagesrhythmus missachtet?
Wenn man gegen seinen natürlichen Tagesrhythmus lebt, so hat dieses auf Dauer Folgen für die Gesundheit. So weiß man beispielsweise, dass Personen, die im Schichtdienst arbeiten ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Krankheiten haben, für die bei ihnen eine genetische Disposition besteht.
Menschen, bei denen der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört ist, leiden überdurchschnittlich oft an Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Übergewicht, Depressionen, Diabetes oder Krebs.
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Was passiert im Laufe des 24-Stunden-Tages-Nacht-Rhythmus im Organismus?
Auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) weiß man, dass alles im Körper seine Zeit hat und berücksichtigt dies bei der Beurteilung von Symptomen und der Therapie von Beschwerden und Erkrankungen. Im Schlafmagazin haben wir uns bereits in der Vergangenheit mit diesem Thema beschäftigt, ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist die Organuhr.
Mehr dazu:
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Zu welcher Uhrzeit wirkt welches Medikamente am besten?
Chronomedizinern zufolge entfalten bestimmte Medikamente ihre Wirkung fast doppelt so gut, wenn sie zur richtigen Zeit eingenommen werden. Außerdem sollen die Medikamente dann weniger Nebenwirkungen haben.
Bitte beachten Sie: Die folgenden Uhrzeiten beziehen sich auf den „normalen“ Chronotyp. Für späte Chronotypen kann z. B. eine spätere Einnahme von Medikamenten sinnvoller bzw. effektiver sein.
6:00 Uhr bis 9:00 Uhr
Cortison
Morgens schüttet der Körper die größte Menge des lebenswichtigen Steroidhormons Cortisol aus. Cortison ist eine inaktive Vorstufe des Cortisols und sollte deshalb morgens eingenommen werden, da eine Einnahme am Abend dazu führen würde, dass der Körper „glaubt“, genügend Cortison zur Verfügung zu haben und deshalb die Eigenproduktion drosselt. Der körpereigene Rhythmus würde entsprechend gestört.
Die Einnahme sollte etwa eine halbe Stunde vor dem Frühstück erfolgen, da der Darm das Cortison dann besonders gut aufnehmen kann.
12:00 Uhr bis 14:00 Uhr
Paracetamol
Das Schmerz- und Fiebermittel Paracetamol sollte möglichst in der Mittagszeit eingenommen werden, da dann die Leber, die für den Abbau des Wirkstoffs zuständig ist, besonders aktiv ist.
14:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Theophyllin gegen Asthma | Heuschnupfen-Medikamente
Asthmatiker sollten ihr Theophyllin-Spray am besten nachmittags einnehmen, da es nicht nur die Atmung verbessert, sondern auch Enzyme im Herzmuskel hemmt. Die Einnahme von Theophyllin am Nachmittag schont das Herz und beugt gleichzeitig nächtlichen Atemproblemen vor.
Auch Wirkstoffe gegen Heuschnupfen werden am besten am späten Nachmittag oder frühen Abend eingenommen, da die Allergiesymptome in der Regel abends und morgens am stärksten ausgeprägt sind.
18:00 Uhr bis 19:00 Uhr
Protonenpumpenhemmer | Blutdruck Medikamente | Acetylsalicylsäure zur Blutverdünnung | Statine zur Senkung des Cholesterinspiegels
Protonenpumpenhemmer dienen dem Magenschutz und sollten idealerweise etwa eine Stunde vor dem Abendessen eingenommen werden. Auf diese Weise kann die Säureproduktion im Magen reduziert werden. Wissenschaftler der University of California in Berkeley haben herausgefunden, dass sich nächtliches Sodbrennen so bei 75 Prozent der Probanden verhindern lässt. – Wer tagsüber unter Sodbrennen leidet, sollte den Protonenpumpenhemmer abends einnehmen.
Der Abend ist auch der beste Zeitpunkt für die Einnahme von Medikamenten gegen Bluthochdruck sowie von Acetylsalicylsäure zur Blutverdünnung.
Auch Statine – Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels – sollten bevorzugt abends eingenommen werden, da der Cholesterinspiegel nachts bekanntermaßen höher ist als tagsüber.
Wann ist das Schmerzempfinden reduziert?
Im Laufe des Tages nehmen wir Schmerzen unterschiedlich stark wahr. So fällt das Schmerzempfinden in den Nachmittagsstunden ab etwa 13:00 Uhr für ein paar Stunden um gut 30% niedriger aus als am frühen Morgen. Dieses erklärt sich dadurch, dass die Aktivität der körpereigenen Schmerzhormone – der Endorphine – nachts und morgens reduziert ist, damit man in der eher schutzlosen Nacht- bzw. Schlafenszeit keine wichtigen Alarmsignale des Körpers verschläft. Wer mit Schmerzen erwacht, sollte realisieren, dass sein Körper geschont werden muss.
Aufgrund des reduzierten Schmerzempfinden im Zeitfenster ab etwa 13:00 Uhr zeigen auch örtliche Betäubungen, wie sie etwa beim Zahnarzt üblich sind, eine längere Wirkung. So ist es beispielsweise so, dass die Wirkdauer einer lokalen Narkose um 16:00 Uhr doppelt so lang wie eine identisch ausgeführte örtliche Betäubung am Vormittag anhalten kann.
In welchem Zeitrahmen treten Schlaganfälle und Herzinfarkte häufiger auf?
Nach einer (hoffentlich erholsamen) Nachtruhe fährt der Organismus am Morgen kräftig hoch, womit für das Herz-Kreislauf-System und das Gehirn höhere Belastungen verbunden sind. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass sich in den Stunden zwischen 8:00 Uhr und 12:00 Uhr mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle ereignen als in den anderen Stunden des Tages bzw. der Nacht.
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