Schlaf und Epilepsie
Im Schlafmagazin betrachten wir immer mal wieder Krankheiten und ihre Auswirkungen auf den Schlaf. So haben wir uns in der Vergangenheit beispielsweise in Artikeln mit Diabetes, Parkinson oder Demenz beschäftigt.
Hier wollen wir uns nun mit Epilepsie befassen. Dazu erklären wir zunächst, wobei es sich bei Epilepsie überhaupt handelt und gehen dann später darauf ein, welche Effekte das Vorliegen einer Epilepsie auf den Schlaf hat.
Was ist Epilepsie?
Unter einem epileptischen Anfall versteht man einen Krampfanfall, der für sich genommen keine Krankheit, sondern ein Krankheitszeichen bzw. Symptom ist. Kommt es spontan wiederholt zu Krampfanfällen, spricht man von Epilepsie. Das Auftreten eines einzelnen Anfalls ist nicht als Anfang einer Epilepsie zu werten.
Man geht davon aus, dass etwa jeder 100. Mensch an einer Epilepsie erkrankt. Ungefähr jeder 25. Mensch hat im Laufe seines Lebens mindestens einen oder mehrere Anfälle. Diese Anfälle werden als Gelegenheitsanfälle bezeichnet und können beispielsweise im Kleinkindalter in Form von Fieberanfällen oder aber im Erwachsenenalter in Form von Alkoholentzugsanfällen auftreten. Betroffene von Gelegenheitsanfällen sind nicht an Epilepsie erkrankt.
Die Ursachen für Epilepsie sind bei vielen Patienten unklar. Es kann sein, dass es genetische Faktoren gibt, die an der Epilepsie beteiligt sind. Epilepsie kann auch Folge einer Hirnschädigung nach Geburtstrauma, Hirninfektion (z. B. Hirnhautentzündung), Hirntumor, Schlaganfall, Schädelhirntrauma, Medikamentenvergiftung oder bedingt durch Stoffwechselanomalien sein.
Zwischen den einzelnen Anfällen bei Epilepsie haben viele Betroffene keinerlei Anfälle. Vereinzelt erleben Betroffene kurz vor einem Anfall eine Aura. Bei anderen Erkrankten wird der epileptische Anfall durch Reize wie z. B. flackernde Lichter oder Blitzlicht hervorgerufen. Liegt eine weitere Krankheit vor oder besteht starker Stress, können sich die Anfälle häufen.
Video: Was ist Epilepsie und wie äußert sich die Erkrankung | Prim. Dr. Franz Stefan Höger
Welche Ursachen kann eine Epilepsie haben?
Wie bereits unter „Was ist Epilepsie?“ kurz angerissen, gibt es viele verschiedene mögliche Auslöser für eine Epilepsie. Oft bleiben die Ursachen für die Epilepsie auch unbekannt. So wissen etwa 50 % aller Menschen, die unter Epilepsie leiden, wodurch die Krankheit entstanden ist.
In den Epilepsie-Fällen mit unbekannter Ursache lässt sich auch durch wiederholte neurologische Untersuchungen, mehrfache Kontrolle des Elektroenzephalogramms (kurz: EEG) sowie modernste radiologische Untersuchungsverfahren kein Anhaltspunkt für eine Hirnerkrankung ausfindig machen. Bei dieser Sachlage sprechen Mediziner von einer idiopathischen Epilepsie. Man vermutet, dass bei der idiopathischen Epilepsie chemische Veränderungen im Gehirn vorliegen, über die man bislang noch keine Kenntnisse hat.
Wenn medizinisch ein Nachweis der Erkrankung oder Schädigung des Gehirns möglich ist, welche die Epilepsie auslöste, ist die Rede von einer symptomatischen Epilepsie.
Welche Formen von epileptischen Anfällen werden unterschieden?
Epileptische Anfälle teilt man in generalisierte Anfälle und partielle Anfälle ein.
Epilepsie – Generalisierte Anfälle: Grand-mal-Anfälle und Absence-Anfälle
Generalisierte Anfälle lösen Bewusstlosigkeit aus und können sämtliche Hirnareale betreffen. Man unterscheidet bei den generalisierten Anfällen zwischen Grand-mal-Anfällen und Petit-mal-Anfällen, welche häufiger auch als Absence-Anfälle bezeichnet werden:
Grand-mal-Anfälle
Bei Grand-mal-Anfällen kann eventuell eine Aura zu Anfang vorhanden sein, danach versteift sich der Körper und das Bewusstsein schwindet. Gelegentlich beißen sich Personen, die einen Grand-mal-Anfall haben, auch auf die Zunge oder geben einen Initialschrei ab. Bei diesem Initialschrei handelt es sich um einen kehligen Laut, welcher darauf basiert, dass die stark angespannten Atem- und Kehlkopfmuskeln die Luft aus der Lunge durch die nicht geöffnete Stimmritze drücken. Die Atmung wird unregelmäßig oder setzt kurzzeitig aus, dann kommt es zu unkontrollierten Körperzuckungen (Extremitäten erst rhythmisch, dann unregelmäßig). Schließlich erschlafft der Körper.
Insgesamt dauert ein solcher Epilepsie-Anfall normal nur selten länger als zwei Minuten. Danach schlafen Betroffene meist ein und wachen häufig erst Stunden nach dem Ereignis wieder auf. Sie sind dann in der Regel desorientiert und haben meist auch keinerlei Erinnerung an den Anfall.
Länger anhaltende Grand-mal-Anfälle sind potenziell lebensbedrohlich. Heutzutage werden Grand-mal-Anfälle meist als tonisch-klonische Anfälle bezeichnet.
Absence-Anfälle
Absence-Anfälle treten in der Hauptsache bei Kindern auf. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Pyknolepsie. Die bei Absence-Anfällen einsetzenden Phasen mit verändertem Bewusstsein sind nur von kurzer Dauer (wenige Sekunden). Krankhafte Körperbewegungen gibt es beim Absence-Anfall nicht. Diese Art des epileptischen Anfalls kann bis zu 100-mal an einem Tag auftreten.
Epilepsie – Partielle Anfälle
Ursächlich für das Auftreten von partiellen Anfällen ist eine krankhafte elektrische Aktivität in einem umschriebenen Areal des Gehirns. Sie können einfach oder komplex sein:
Im Rahmen von einfachen partiellen Anfällen verlieren Betroffene in der Regel nicht das Bewusstsein, es kommt zum Einsetzen anomaler windender Bewegung, stechendem Gefühl oder Halluzination (Geruch, Vision oder Geschmack). Ein einfacher partieller Anfall hält meist einige Minuten an.
Komplexe partielle Anfälle bezeichnet man auch als Schläfenlappenepilepsie. Bei derartigen Anfällen kommt es zu einer Unterbrechung mit dem bewussten Kontakt mit der Umgebung. Betroffene sind benommen und zeigen meist ein auffälliges Verhalten. Anschließend können sie sich kaum oder gar nicht an die Geschehnisse erinnern.
Statt von partiellen Anfällen ist heute zumeist die Rede von fokalen Anfällen oder auch einer fokalen Epilepsie, wenn nur ein bestimmter Bereich des Hirns betroffen ist.
Wenn sich die Störung der Nervenzellen in der kompletten Hirnrinde ausbreitet, dann wandelt sich ein partieller Anfall in einen Grand-mal-Anfall um.
Schlaf und Epilepsie: Aufwach Grand-mal
Ungefähr ein Drittel aller Personen, die unter Grand-mal-Anfällen leiden, haben eine Aufwach-Grand-mal-Epilepsie, was bedeutet, dass sich alle bzw. mind. 90 % der generalisierten tonisch-klonischen Anfälle in den ersten zwei Stunden nach dem Aufwachen oder aber in den frühen Abendstunden ereignen. Letzteres zeigt auf, dass die Bezeichnung Aufwach-Grand-mal leicht in die Irre führt. Korrekter wäre in diesem Zusammenhang der Ausdruck Aufwach-Epilepsie oder Feierabend-Epilepsie.
Die Anfälle, die im Rahmen von Aufwach-Grand-mal auftreten, stehen in Abhängigkeit zum Aufwachen, also zum Erwachen aus dem Schlaf. Aus diesem Grund können sie zu jeder Tages- oder auch Nachtzeit in Erscheinung treten – also auch nach einem Mittagsschlaf oder Power-Nap.
Aufwach-Epilepsien oder Feierabend-Epilepsien zeigen sich meist im zweiten Lebensjahrzehnt.
Als Auslöser für eine Aufwach-Grand-mal-Epilepsie kommen unter anderem Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus oder Schlafentzug infrage.
Oft treten neben den Aufwach-Grand-mal Anfällen auch noch andere generalisierte Anfälle wie z. B. Absencen auf.
Schlaf und Epilepsie: Schlaf Grand-mal
Treten Grand-mal-Anfälle immer nur im Schlaf auf, so liegt eine Schlaf-Grand-mal-Epilepsie vor.
Bedeutung eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus im Zusammenhang mit Epilepsie
Für alle Epilepsie-Patienten ist generell ein sehr geregelter Schlaf von großer Wichtigkeit. Dieses gilt noch einmal in besonderem Maße für von einer idiopathischen generalisierten Epilepsie Betroffene. Es sollte dementsprechend keine großen Abweichungen hinsichtlich der Einschlafzeiten und Aufwachzeiten geben.
Bereits ein um wenige Stunden nach hinten verlegtes Einschlafen kann bei einigen Epileptikern am nächsten Morgen einen Anfall auslösen. Dieses lässt sich in der Regel auch nicht verhindern, wenn einfach länger geschlafen wird, um die Gesamt-Schlafdauer auf die Norm zu bekommen. Ganz im Gegenteil bringt dieser längere Verbleib im Schlaf den Schlaf-Wach-Rhythmus noch weiter durcheinander und wirkt so eher noch verschlimmernd.
Die Länge der Schlafdauer ist weniger entscheidend als die Regelmäßigkeit bei der Einschlafzeit und der Aufwachzeit.
Zu weiteren Verschlimmerungen kann es kommen, wenn zusätzlich am Abend noch Alkoholgenuss stattgefunden hat und sich am Vormittag unter Umständen auch noch die Medikamenteneinnahme nach hinten verschiebt. So summieren sich die Faktoren, die für das Auftreten eines Anfalls verantwortlich sind, weiter auf.
Empfohlen wird deshalb, den Schlaf-Wach-Rhythmus normal stringent einzuhalten. Abweichungen sollten so selten wie möglich vorkommen, wobei die Schwankungen bei höchstens einer bis zwei Stunden liegen sollten. Daneben sollte man dann unbedingt darauf achten, dass man weitere infrage kommende Auslösefaktoren für einen Anfall sicher eliminiert, um das Anfallsrisiko für den nächsten Morgen soweit wie möglich zu reduzieren.
Zu Verschiebungen im Schlaf-Wach-Rhythmus kommt es häufig im Zusammenhang mit dem Wochenende – von Freitagabend bis Montagmorgen. Finden sich im Anfallskalender gehäuft Anfälle an diesen Tagen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Schlafverschiebung ein Auslösefaktor ist. Fallen im Anfallskalender andere Tage wiederholt durch Anfallshäufungen auf, liegt der Verdacht nahe, dass es auch hier Schlafverschiebung ein wichtiger Faktor für das vermehrte Auftreten der Anfälle ist.
So kann z. B. eine wöchentliche Doppelkopf-Runde am Donnerstagabend mit einer damit verbundenen Schlafverschiebung nach hinten durchaus der Grund dafür sein, dass es bei einem Patienten am Freitag regelmäßig und häufiger als an allen anderen Wochentagen zu Anfallsereignissen kommt.
Aufgrund der enormen Bedeutung eines festen Schlaf-Wach-Rhythmus für Epileptiker sollten diese auf gar keinen Fall in Schichtarbeit arbeiten.
Darüber hinaus kann es auch durch den mit Fernreisen verbundenen Jetlag bzw. den damit verbundenen Zeitverschiebungen zu Störungen des üblichen Schlaf-Wach-Rhythmus kommen und somit zum Auftreten von Anfällen. Sind Reisen dieser Art nicht zu vermeiden, sollte man versuchen, den Schlaf-Wach-Rhythmus schnell an die örtlichen Tages- und Nachtzeiten anzupassen. Unter Umständen kann dieses auch – falls nötig – unter kurzzeitiger Einnahme von Schlafmitteln erfolgen. Hier sollte man aber vorab ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt führen und sich ggf. ein geeignetes Medikament verschreiben lassen.