Schlaf fördern: Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
Für einen guten und gesunden Schlaf sind Stress und Nervosität meist sehr hinderlich. Um am Abend besser abschalten zu können und den Grad der Anspannung zu senken, empfehlen sich verschiedene Entspannungstechniken.
Im Schlafmagazin haben wir Ihnen in unseren Artikeln „Die besten Entspannungstechniken vor dem Zubettgehen“ und „Natürliche Schlafhelfer“ haben wir Ihnen bereits verschiedene Verfahren kurz vorgestellt. Außerdem haben wir uns schon mit dem Yoga und dem Autogenen Training in der Vergangenheit intensiver auseinandergesetzt.
Heute stellen wir Ihnen die Muskelentspannung nach Jacobson bzw. die Progressive Muskelrelaxation (kurz: PMR) nach Jacobson detailliert vor. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe dieses bewährten Entspannungsverfahrens. Außerdem erklären wir Ihnen die Anwendung bzw. Umsetzung der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson und geben Ihnen viele weitere Tipps dazu, wie Sie mithilfe dieser Muskelentspannungstechnik Ihren eigenen Schlaf effektiv fördern können.
Was ist Progressive Muskelrelaxation?
Die Progressive Muskelrelaxation handelt es sich um ein Verfahren, welches im Jahr 1929 durch den amerikanischen Internisten und Psychophysiologen Edmund Jacobson (1885-1976) entwickelt wurde. Es basiert auf der These, dass sich Anspannung und Erregung der Psyche physisch in Form von muskulärer Verspannung äußern. – Wenn man die Muskelverspannung löst, so löst sich gleichfalls die psychische Anspannung.
Durch das gezielte Anspannen und Entspannen verschiedener Muskeln bzw. Muskelgruppen sollen das Gefühl der Entspannung bewusst wahrgenommen und Verspannungen lokalisiert werden können. Dazu ballt man beispielsweise für einige Sekunden lang die Faust, spannt seinen Bauch an oder kneift das Gesicht zusammen. Im Rahmen eines Kurses steht einem ein Therapeut zur Seite, welcher anfangs die Reihenfolge der anzuspannenden Muskelpartien vorgibt.
Für die Wirksamkeit der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson gibt es wissenschaftliche Belege: So ist wie beim autogenen Training auch bei der Muskelrelaxation eine Verringerung von Herzschlag und Puls feststellbar. Es besteht also die Möglichkeit den Zustand der Entspannung, welcher durch Anwendung der Technik erreicht wird, körperlich zu messen.
Statt von Progressiver Muskelrelaxation ist auch abgekürzt von PMR die Rede. Außerdem kennt man dieses Entspannungsverfahren nach Jacobson auch als Tiefenmuskelentspannung, Tiefenentspannung, Progressive Relaxation (kurz: PR) oder Progressive Muskelentspannung (kurz: PME).
Wie funktioniert Progressive Muskelentspannung?
Wie bereits erwähnt, basiert die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson auf dem Wechsel von Anspannung und Entspannung bestimmter Muskeln oder Muskelgruppen:
Anspannung
Im Rahmen der einzelnen Übungen oder Abschnitte der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson werden bestimmte Muskeln bzw. Körperpartien – wie z.B. der rechte Arm – kräftig angespannt. Diese Anspannung soll für eine Dauer von etwa fünf bis sieben Sekunden aufrechterhalten werden. Kräftig bedeutet, dass man den Muskel so stark wie möglich anspannt. Dabei sollten allerdings keine Schmerzen auftreten. Während der Muskel bzw. die Muskelgruppe angespannt wird, konzentriert man sich vollkommen auf das Gefühl der Anspannung und zählt dabei im Geiste langsam von 21 bis 27.
Während der Anspannung der Muskulatur sollte man unbedingt normal und gleichmäßig weiteratmen. – Wer beim Anspannen der Muskeln die Luft anhält, verkrampft sich.
Entspannung
Wenn die fünf bis sieben Sekunden abgelaufen sind, werden die angespannten Muskeln schnell wieder bis zur völligen Lockerung entspannt. In der Regel gelingt dieses totale Entspannen der Muskeln sehr leicht, weil der Unterschied zur völligen Anspannung sehr deutlich wahrnehmbar ist. Bevor die nächste Übung begonnen wird, behält man den Zustand der Lockerung noch für circa 20 Sekunden bei.
Anleitung: Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
Zur Durchführung der Progressiven Muskelentspannung sollte man sich flach auf eine bequeme Unterlage legen. Dazu eignen sich z. B. das Bett, eine Yoga-Matte, eine Decke oder ein weicher Teppich. Die Kleidung sollte nicht einengen.
Nun schließt man die Augen und atmet ungefähr eine Minute lang tief ein und aus. Dabei sollte man unbedingt darauf achten, dass man lange und vollständig ausatmet. Anschließend startet man mit der Durchführung der ersten Übung bzw. des ersten Abschnittes der Tiefenmuskelentspannung.
(für Rechtshänder, Linkshänder starten mit der linken Hand)
- Rechte Hand und Unterarm: Faust ballen
- Rechter Oberarm: Bizeps anspannen
- Linke Hand und Unterarm: Faust ballen
- Linker Oberarm: Bizeps anspannen
- Stirn runzeln
- Augen zukneifen und Nase rümpfen
- Mund und Kieferbereich: Zähne zusammenbeißen, „extrem grinsen“
- Kinn auf die Brust pressen
- Kopf nach hinten legen
- Schultern nach vorne drücken
- Schultern nach hinten drücken
- Schultern hochziehen
- Brustkorb: Atem anhalten
- Bauch einziehen
- Gesäß: Muskeln auf die Unterlage drücken
- Rechter Oberschenkel: anspannen
- Linker Oberschenkel: anspannen
- Rechte Wade: Fußspitze nach vorne drücken
- Rechte Wade: Fußspitze nach hinten drücken
- Linke Wade: Fußspitze nach vorne drücken
- Linke Wade: Fußspitze nach hinten drücken
- Füße nach innen drehen
- Füße nach außen drehen
Anleitung bzw. Führung durch die einzelnen Übungen der PMR
Rechtshänder starten mit ihrem rechten Arm, während Linkshänder entsprechend mit ihrem linken Arm beginnen.
Sieben Sekunden lang die Hand des rechten/linken Arms zur Faust ballen, um so für eine Anspannung in Hand und Unterarm zu sorgen. Dabei sollte man sich auf diese Muskeln konzentrieren und alle anderen Muskeln lockerlassen. Anschließend die Faust lösen und den Arm ca. 20 Sekunden lang entspannt neben dem Körper ruhen lassen.
Dann beugt man den rechten/linken Arm und führt die Fingerspitzen der geöffneten Hand zur Schulter. Auf diese Weise wird der Bizeps des rechten/linken Arms angespannt. Die Spannung sollte wieder für etwa sieben Sekunden lang beibehalten werden. Danach schließt sich wieder eine Lockerungsphase von etwa 20 Sekunden Länge an.
Nun ist der andere Arm an der Reihe, wobei wieder mit Hand und Unterarm durch Ballen der Faust begonnen wird…
Die Augenbrauen soweit wie möglich nach oben ziehen, um die Stirn stark zu runzeln. Sieben Sekunden lang halten und die Stirnpartie anschließend für 20 Sekunden entspannen.
Sieben Sekunden lang die Nase rümpfen und die Augen ganz fest zusammenkneifen. Danach wieder 20 Sekunden Entspannungsphase einlegen.
Nun die Zähne ganz fest zusammenbeißen und zur gleichen Zeit die Mundwinkel so weit es möglich ist in Richtung der Ohren ziehen (wie bei einem sehr übertriebenen Grinsen). Haltung für sieben Sekunden bewahren und dann wieder lockern.
Extra-Tipp: Die beschriebenen Übungen für Gesicht und Kopf der Progressiven Muskelentspannung sollen auch sehr gut zur Bekämpfung von Kopfschmerzen geeignet sein.
Kinn fest auf die Brust pressen und dabei vorstellen, dass jemand versucht, den Kopf nach hinten zu drücken. Gegen diesen imaginären Druck sollte man in der sieben Sekunden dauernden Anspannungsphase arbeiten. Danach wieder für 20 Sekunden entspannen.
Nun geht es andersherum: Kopf weit in den Nacken legen und dabei vorstellen, dass jemand den Kopf nach vorne drücken will. Wieder für sieben Sekunden gegen den imaginären Druck arbeiten und dann erneute Entspannungsphase.
Schultern soweit wie möglich nach vorne schieben und sieben Sekunden in dieser Position halten. Dann 20 Sekunden Entspannung.
Jetzt die Schultern soweit wie es geht nach hinten ziehen, als ob man wollen würde, dass die Schulterblätter aufeinandertreffen. Nach sieben Sekunden wieder entspannen.
Jetzt die Schultern soweit wie möglich nach oben ziehen, sieben Sekunden halten und zwanzig Sekunden lockern.
Tief Luft holen und dann für sieben Sekunden den Atem anhalten. In einem Stoß ausatmen und dann erneute Periode der Entspannung.
Bauch soweit wie es geht einziehen und für sieben Sekunden in dieser völligen Anspannung halten. Wieder lockerlassen und entspannen.
Den Po fest gegen die Unterlage pressen, um so die Gesäßmuskulatur anzuspannen – sieben Sekunden halten – 20 Sekunden entspannen.
Rechten Oberschenkel anspannen – Spannung halten und wieder lockern.
Linken Oberschenkel anspannen – Spannung halten und wieder lockern.
Fußspitze am rechten Bein nach vorne Richtung Fußboden drücken, um die Wadenmuskulatur anzuspannen. Sieben Sekunden halten, dann 20 Sekunden entspannen und anschließend die rechte Fußspitze Richtung Knie ziehen, wieder die Spannung halten und danach wieder entspannen. Nun ist das linke Bein in identischer Vorgehensweise an der Reihe…
Nun beide Füße nach innen drehen, Spannung halten und wieder lockern.
Dann beide Füße stark nach außen drehen, Spannung halten und wieder lockern.
Wer die Übungen der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson häufiger wiederholt, wird die Abfolge bald auswendig gelernt haben. Bis es soweit ist, kann man sich die Anweisungen z. B. mit dem Smartphone aufnehmen und diese Aufnahme während der Tiefenmuskelentspannung abspielen. Dabei kann man die Zeiten dann auch genauer takten (sieben Sekunden anspannen, zwanzig Sekunden entspannen), indem man diese bei der Aufnahme der Anweisungen berücksichtigt.
Wenn man mit der Progressiven Muskelrelaxation beginnt, sollte man sich für einen Durchlauf der beschriebenen Übungen gut 20 Minuten Zeit nehmen, um den notwendigen Zustand der Entspannung zu erreichen. Mit zunehmender Erfahrung werden die Einheiten meist kürzer, so dass meist nur noch zehn Minuten für die PMR erforderlich sind. Es ist außerdem so, dass die Wirkung der Jacobson-Übungen mit wiederholtem Training immer besser wird.
Sollte man nach Abschluss der Übungen feststellen, dass es noch Muskelgruppen gibt, die sich verspannt anfühlen, kann man die entsprechenden Übungen für diese Körperpartie(n) wiederholen. Man sollte es dabei allerdings nicht übertreiben. Manchmal hilft es auch schon, wenn man sich noch einmal laut vorsagt: „Ich fühle mich schon wesentlich entspannter als vorher. Die Anspannung, die ich aktuell noch im Bereich meiner Beine (Schultern, Kopf, Bauch…), wird jetzt auch im Laufe der Zeit noch verschwinden.“
Video: Progressive Muskelentspannung im Liegen – Anleitung zum Mitmachen
Eine Audio-Anleitung und weitere Informationen aus dem Internet:
Wirksam entspannen: Progressive Muskelentspannung zum Download – Techniker Krankenkasse
Zum einfachen und effektiven Erlernen der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson ist die Teilnahme an einem Kurs empfehlenswert. Kurse werden u. a. in psychotherapeutischen Praxen, Einrichtungen für Erwachsenenbildung, an Volkshochschulen und in Gesundheitszentren angeboten. Teilweise bieten auch die Krankenkasse entsprechende Kurse an oder beteiligen sich an den Kosten hierfür.
Eignet sich Progressive Muskelentspannung für jeden?
PME ist grundsätzlich leicht zu erlernen, ist aber nicht uneingeschränkt für jeden empfehlenswert. So gibt es einige Erkrankungen, bei denen die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson nicht oder nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt angewendet werden sollte.
Bei folgenden Krankheiten / gesundheitlichen Einschränkungen sollte man die PME lieber nicht bzw. nur nach ärztlicher Empfehlung durchführen:
- niedriger Blutdruck | es könnte zu einem weiteren, gefährlichen Sinken des Blutdruckes kommen
- Anfallsneigung | Epilepsie oder Fieberkrämpfe könnten auftreten
- obstruktive Atemwegserkrankungen wie z. B. Asthma | in den ersten Übungsstunden könnte ein Atemnotfall einsetzen
- Herzrhythmusstörungen | es könnte durch PME zu einer Verschlechterung der Rhythmusstörungen kommen bis hin zu einer lebensgefährlichen Situation
Bei ausgeprägten psychiatrischen Problemen (starke Depressionen, Psychosen, Schizophrenie) sollte man von der Muskelrelaxation auch lieber Abstand nehmen. Auch bei akuten Migräne-Attacken eignet sich PME nicht als Therapiemaßnahme.
Auch in der Schwangerschaft und bei Schwangerschaftsbeschwerden sollte man besser auf die Progressive Muskelentspannung verzichten. Durch die Tiefenmuskelentspannung könnten nämlich Wehen ausgelöst werden. Aus diesem Grund kann PME im Rahmen einer Geburtsvorbereitung nach Anleitung hilfreich sein.