Was haben unsere Gene mit unserem Schlafverhalten zu tun?
Ein gesunder Schlaf ist extrem wichtig für unser Wohlbefinden. Wer zu kurz oder schlecht schläft, ist physisch und psychisch nicht leistungsfähig, fühlt sich unwohl, lernt schlechter und ist anfälliger für Krankheiten.
Doch die Qualität unseres Schlafes ist das Ergebnis sehr vieler Einzelfaktoren, und nicht alle können wir bewusst beeinflussen. Wann, wie lange und wie gut wir schlafen, ist nämlich auch eine genetische Frage.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Wir verbringen gut ein Drittel unseres Lebens im Schlaf. Dabei schläft ein erwachsener Mensch im Durchschnitt etwas über sieben Stunden pro Tag. Individuell ist die Schlafdauer jedoch sehr unterschiedlich, denn sie ist von unzähligen inneren und äußeren Einflüssen abhängig. Wer Stress hat oder zum Grübeln neigt, schläft weniger. Auch ein schreiendes Kind, Verkehrslärm oder ungünstiger Lichteinfall im Schlafzimmer wirken verkürzend auf die Schlafdauer.
Zusätzlich zu diesen Einflüssen entscheidet aber auch die ganz individuelle Neigung darüber, wann und wie lange wir schlafen. Während der Eine gerne früh ins Bett geht, schläft der Andere lieber länger – völlig unterschiedliche Schlaf-wach-Rhythmen sind die Folge. Aber woher kommen diese Vorlieben?
Schlaf-wach-Rhythmus: Welcher Chronotyp sind Sie?
Die innere biologische Uhr gibt jedem Menschen seinen ganz persönlichen Rhythmus vor. Sie hat eine ungefähre Periodenlänge von 24 Stunden. Es kann zwischen zwei verschiedenen Chronotypen unterschieden werden: Die Frühaufsteher legen sich lieber zeitig ins Bett, sind aber dafür mit den Vögeln wach, putzmunter und leistungsfähig. Sie sind Vertreter des frühen Chronotyps. Das genaue Gegenteil sind die Menschen mit spätem Chronotyp: Sie bleiben abends lieber länger auf und sind auch spät noch leistungsfähig. Sie kommen aber am frühen Morgen nur schwer aus den Federn. Studien, bei denen das Schlafverhalten von eineiigen und zweieiigen Zwillingen verglichen wurde, legen nahe, dass diese Unterschiede genetisch bedingt sind.
Und wie sieht es mit der Schlafdauer aus?
Nicht nur der Schlafrhythmus, sondern auch die Schlafdauer ist eine sehr individuelle Sache. Während der Kurzschläfer bereits nach vier oder fünf Stunden Schlaf wieder fit für den neuen Tag ist, braucht so mancher Langschläfer mindestens acht Stunden oder mehr. Das hat nichts mit Trägheit zu tun: Hier ist das Siebenschläfer-Gen am Werk.
In eine groß angelegten Studie untersuchten Wissenschaftler der Universität von Edinburgh und der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität das Schlafverhalten von über 30.000 Personen in ganz Europa. Dabei lag der Fokus auf der Schlafdauer. Alle Teilnehmer führten ein Schlaftagebuch und gaben eine Blutprobe für einen Gentest ab. Das Ergebnis: Träger des Gens ABCC9 benötigen gut eine halbe Stunde mehr Schlaf als Menschen, denen dieses Gen fehlt. Und das betrifft nicht wenige: Gut jeder fünfte Europäer ist Träger des sogenannten Siebenschläfer-Gens.
Lässt sich die Schlafdauer vielleicht sogar genetisch manipulieren? Aber ja – zumindest bei Fruchtfliegen. Wird das entsprechende Gen deaktiviert, wirkt sich diese Manipulation verkürzend auf die Schlafdauer der Tiere aus. Doch ob dieses Ergebnis auf den Menschen übertragbar ist, kann wohl noch niemand seriös beantworten. Ganz abgesehen von der Frage, ob ein solcher Eingriff wirklich wünschenswert wäre.
Alles nur eine Frage der Gene?
Die Forschung zu der Frage, was genau unser Schlafverhalten steuert, steht noch ganz am Anfang. Welche einzelnen Gene die verschiedenen Merkmale wie Einschlafzeit, Schlafdauer und auch die Qualität des Schlafs beeinflussen – darüber herrscht noch eine große Unklarheit. Insgesamt wird aber angenommen, dass unser Schlafverhalten ein Resultat aus einem sehr komplexen Zusammenspiel verschiedener Genen unter dem Einfluss von zahlreichen Umweltfaktoren ist.
Bereits besser erforscht ist der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und ihren genetischen Ursachen. So manche Fehlregulation im Schlafverhalten wird durch die Mutation in einem ganz bestimmten Gen verursacht oder ist Ergebnis eines ungünstigen Zusammenspiels mehrerer Gene.
Stets tödlich verläuft die – glücklicherweise sehr seltene – Erkrankung FFI (Fatale familiäre Insomnie), die eng mit der Creutzfeld-Jakob-Krankheit verwandt ist. Hier führt eine Mutation im Prion-Gen zum Absterben der Nervenzellen im Gehirn. Im Verlauf der unheilbaren Krankheit nimmt die Schlafzeit immer weiter ab – bis hin zur völligen Schlafunfähigkeit.
Die Forscher gehen auch bei Krankheiten wie der Narkolepsie, der Schlafapnoe oder dem Schlafwandeln davon aus, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Eine weitere Erforschung dieser Zusammenhänge wird sicherlich helfen, diese weitverbreiteten Störungen besser in den Griff zu bekommen.
Meine Gene sind schuld!
Mal wieder so richtig verschlafen und zu spät bei der Arbeit erschienen? Geben Sie ruhig einmal den Genen die Schuld und erklären Sie Ihrem Vorgesetzten, dass Sie offensichtlich zum späten Chronotyp gehören. Aber Vorsicht: Wer diese Entschuldigung überstrapaziert, könnte Ärger bekommen, und zwar völlig zu Recht. Denn neben den genetischen Faktoren beeinflussen auch viele äußere Faktoren unser Schlafverhalten. Ein sehr wichtiger Einflußfaktor ist dabei Ihr Wecker: Wenn Sie sein Klingeln einfach ignorieren, können Ihre Gene nichts dafür …