Hilft ein Zungenschrittmacher bei Atemstörungen?

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Zungenschrittmacher gegen Schnarchen

© Axel Kock

Wer unter einer Obstruktiven Schlafapnoe (OSA) leidet, muss viele Behandlungsansätze über sich ergehen lassen. Dann werden Schienen und Atemmasken verschrieben, die Mandeln entfernt oder mittels Laser gleich der ganze Rachen gestrafft. Doch nicht bei allen Patienten stellt sich ein Erfolg ein. Ein neues Verfahren gibt nun Grund zur Hoffnung: Der Zungenschrittmacher (auch Hypoglossusschrittmacher genannt) greift ein, schon bevor die lebensbedrohlichen Atemaussetzer beginnen. Was das genau ist, wie er funktioniert und für wen diese Therapieform geeignet ist, erfahren Sie im folgenden Artikel.


Was ist ein Zungenschrittmacher?

Wie bei einem Herzschrittmacher auch, greift der Zungenschrittmacher immer dann ein, wenn Gefahr in Vollzug ist. Das kleine Gerät bemisst dabei die Atmung während des Schlafs. Droht ein Aussetzer, greift die Maschine ein. Indem minimale Stromimpulse in die Nerven der Zunge gesendet werden, strafft sich das Gewebe; erschlaffte Muskulatur hat keine Chance. Durch das Gerät wird dem Schlafapnoe-Syndrom zuverlässig entgegengewirkt.



Schlafapnoe-Syndrom (SAS)

Bei der Erkrankung sackt die Zunge im Schlaf unmerklich in den Rachen ab. Hier behindert sie die Atmung. Weil die Schleimhäute eng aufeinanderliegen, beginnt der Betroffene laut zu schnarchen. Folglich drücken sich die Atemwege immer enger zusammen. Ist die Luftröhre blockiert, kommt es zu den gefürchteten Atemaussetzern.
Aufgrund des Sauerstoffmangels schüttet der Körper nun Stresshormone aus. Sie verhindern zwar das Ersticken, halten den Organismus aber die ganze Nacht lang aktiv. Die Folge: Der Betroffene fühlt sich am nächsten Morgen wie gerädert. Weil die Schlafqualität massiv gestört ist, sind weitreichende gesundheitliche Probleme die Folge. Die Erkrankung wird auch Obstruktive Schlafapnoe (OSA) genannt.

Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem Schlafmagazin unter:

Wie geht die Operation vonstatten?

Der Patient bekommt in einer kurzen OP das Gerät im Bereich des Schlüsselbeins implantiert. Von dem Kästchen gehen zwei Kabel ab. Eines verläuft unter der Haut über den Brustkorb bis hin zum Zwerchfell. Dieser Sensor misst fortan die Atemfrequenz. Ein anderes Kabel wird über den Rachen bis hin zum Zungennerv verlegt. Diese Elektrode gibt im Fall der Fälle einen Stromimpuls ab.

Die feinen Schnitte sind nach rund vier Tagen verheilt. Dann wird ein Schlafmediziner die Stärke der ausgehenden Impulse regulieren. Damit ist der Schrittmacher einsatzbereit und der Patient darf nach Hause. Nach rund vier Wochen muss ein letzter Aufenthalt im Schlaflabor eingeplant werden. Hier erfolgt nun die Feineinstellung des Gerätes.


So funktioniert der Zungenschrittmacher im Bett

Kurz vor dem Zubettgehen wird der Schrittmacher mittels einer Fernbedienung aktiviert. Nach etwa 30 Minuten beginnen die Messungen. Ab dem Moment kontrolliert der implantierte Sensor die Atmung. Kommt es nun zu den befürchteten Aussetzern, registriert der Fühler das. Die Elektrode am Zungennerv gibt daraufhin elektrische Impulse ab. Die Stromstöße sorgen dafür, dass sich das umliegende Bindegewebe strafft. Die Folge: Weil die Zunge nicht erschlafft, sinkt sie auch nicht mehr in den Rachen ab. Indem die Atemwege freibleiben, gehören die unbemerkten Erstickungsanfälle der Vergangenheit an.


Wie hoch ist die Erfolgsquote?

Mit dem Verfahren lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Untersuchungen zeigen, dass die behandelten Patienten rund 80 Prozent weniger Atemaussetzer pro Nacht durchleben müssen. Weil die Atemwege frei bleiben, lässt sich der bedrohliche Sauerstoffabfall im Blut verhindern. Insgesamt verbessert sich die Lebensqualität der Betroffenen enorm.
Aber: Bei rund 10 Prozent der Implantierten lässt sich kein Erfolg feststellen, sie leiden also auch trotz des Schrittmachers weiterhin an der tückischen Schlafstörung.


Für wen ist das Verfahren geeignet?

Derzeit kommen nur jene Patienten in den Genuss des Hilfsmittels, bei denen alle anderen Therapieverfahren (Kieferschiene, CPAP-Atemmaske) bisher erfolglos waren. Dann stellt das Implantat die letzte Behandlungsmöglichkeit dar. Ist das der Fall, übernimmt die Krankenkasse sogar die Kosten für die Maschine. Sie liegen bei rund 20.000 EUR.


In welchen Fällen wird der Zungenschrittmacher nicht eingesetzt?

Der praktische Apparat kann nicht eingepflanzt werden, wenn die Mandeln des Patienten zu groß sind oder der Kiefer insgesamt zu klein ausgebildet ist. Auch bei einer vorliegenden Herzinsuffizienz oder Übergewicht wird die OP nicht absolviert.


Kann man damit auch das Schnarchen loswerden?

© Andrey Popov – Fotolia.com


Erwiesen ist, dass die allermeisten Menschen mit Zungenschrittmacher kaum noch schnarchen. Aber: Die Therapie wird nur bei solchen Patienten genutzt, die unter lebensbedrohlichen Atemaussetzern leiden. Wer „nur“ das Schnarchen damit wegbekommen möchte, müsste den Eingriff selbst zahlen.


Welche Nachteile gibt es?

Grundsätzlich handelt es sich um ein gut erforschtes Verfahren. Störend finden manche Patienten allerdings den Umstand, dass der Schrittmacher innerhalb einer festen Zeitspanne seine Arbeit beginnt. Wer nach 30 Minuten noch nicht eingeschlafen ist, könnte die winzigen Stromimpulse im Rachen bemerken. Dann kitzelt und zuckt es im Hals.

Nachteilig ist zudem, dass die Batterie alle paar Jahre ausgetauscht werden muss. Daneben sind ein bis zwei ärztliche Checks im Jahr notwendig. Und: Wie bei einem Herzschrittmacher auch, sind einige Vorsichtsmaßnahmen im Alltag zu treffen. So muss ein Mindestabstand zu Elektrogeräten mit Magnetfeldern eingehalten werden und MRT-Untersuchungen sind nur eingeschränkt möglich. Auch einige Sportarten (z. B. Tauchen, Gewichtheben) sollte man unterlassen.


Wo wird das Behandlungsverfahren durchgeführt?

Weil die Methode noch relativ jung ist, bieten nicht alle Krankenhäuser diese Leistung an. Informieren Sie sich vorab in Ihrer örtlichen Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten oder in einer Schlafmedizinischen Sprechstunde. Es lohnt sich, für den Eingriff eines der Spezialzentren in Deutschland aufzusuchen.


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Judith Schober

Als Content Marketing Managerin betreut sie seit 2014 die Online-Redaktion des Shops Betten.de. Im Schlafmagazin veröffentlicht sie u. a. Beiträge rund um aktuelle Einrichtungstrends sowie Pflegetipps und Artikel zu Gesundheitsthemen.

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