Winterschlaf für Menschen? Was Sie über die kalte Jahreszeit wissen sollten

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Frau schläft im Schnee

Wer in den kühlen Monaten durch einen Zoo spaziert, findet viele Gehege verwaist vor. Dann haben sich die tierischen Bewohner aus dem öffentlichen Revier zurückgezogen. Sie gehen, abgeschirmt von fremden Blicken, gemütlich ihrem Winterschlaf nach. Und der funktioniert am besten, wenn sich das jeweilige Lebewesen wohlig in seinen Bau verkriecht.
Der intuitive Rückzug vieler Geschöpfe verläuft im Einklang mit der Natur. Das Erstaunliche: Nicht nur die Tierwelt sehnt sich im Winter nach etwas mehr Ruhe und Schlaf, sondern ebenso der Mensch! Weil unsere Spezies jedoch von Job und sozialen Verpflichtungen umringt ist, fällt den meisten Individuen der Rückzug ins Private ausgesprochen schwer.


Winterschlaf für Menschen – das steckt dahinter

Ob wir es möchten oder nicht: Im Winter verändert sich unser Biorhythmus. Verantwortlich dafür ist der verminderte Lichteinfall. Während in den Sommermonaten bis zu 18 Stunden stimulierende Sonnenstrahlen auf uns einwirken, kommen wir in manchen Wintermonaten kaum auf 7 Stunden. Das hat Folgen.

Die reduzierte Lichtzufuhr führt dazu, dass die Produktion des Hormons Melatonin im Körper sukzessive abnimmt. Der Botenstoff wacht über den markanten Tag-Nacht-Rhythmus und sorgt dafür, dass wir am Abend müde werden und am Morgen vollumfänglich wach sind. Um es produzieren zu können, benötigt der Körper allerdings viel Licht. Und genau diese stimulierende Helligkeit fehlt in der kalten Jahreszeit.

Wenn nun die Melatoninkonzentration im Blut immer weiter absinkt, hat dies weitreichende Folgen für den Betroffenen: Die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen – der Mensch sehnt sich nach einem Rückzug.

Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind immens. Nicht nur, dass wir uns im Winter einfach niemals wirklich ausgeschlafen fühlen beziehungsweise am Abend trotz Müdigkeit nicht einschlafen können – vielmehr leidet der gesamte Organismus unter dem Ungleichgewicht. Eine verminderte Leistungsfähigkeit, Infektanfälligkeit, Stimmungsschwankungen bis hin zu langanhaltenden Depressionen können die Folge sein.

Faultier Finn untersucht mit LupeAuf einen Blick: Diese Funktionen werden vom Lichteinfall beeinflusst

  • Schlaf-wach-Rhythmus
  • Hunger- bzw. Sättigungsgefühl
  • Herzfrequenz
  • Blutdruck
  • Körpertemperatur
  • Stoffwechselvorgänge
  • Immunsystem
  • Emotionaler Zustand

Warum es sich lohnt, seinen persönlichen Melatonin-Spiegel ganzjährig im Blick zu behalten, lesen Sie hier:
Melatonin – das natürliche Schlafmittel

Ist die geplante Zeitumstellung die Lösung?

Umstellung von Winterzeit zu Sommerzeit
Viele Menschen leiden unter der dunklen Jahreszeit. Sie machen, neben dem fehlenden Sonnenlicht, auch die zusätzliche Umstellung von Sommerzeit auf Winterzeit für ihre Probleme verantwortlich.

Diese Anschauung spiegelt sich exemplarisch etwa in der europaweiten Online-Umfrage zur Abschaffung der Zeitumstellung wider. Die rund 4,6 Millionen Teilnehmer sprachen sich deutlich für eine Beendigung aus. Ihre Hoffnung: Wenn die Sommerzeit ganzjährig eingeführt würde, entfielen die negativen Begleiterscheinungen der Wintermonate und der circadiane Rhythmus bliebe eher stabil.

Warnende Ergebnisse aus Russland

Wissen muss man aber, dass bereits 2011 die Russen mit der Zeitenwende experimentierten. Sie setzten in allen Landesteilen ganzjährig verpflichtend die Sommerzeit ein. Doch die Enttäuschung war groß. Statt einer nützlichen Kehrtwende zeichnete sich vielmehr ein Negativtrend ab. So stieg die Zahl der Menschen mit Depressionen leider an und auch die Selbstmordrate nahm zu. Ebenso verzeichneten die Versicherer eine Zunahme der Verkehrs- und Arbeitsunfälle am frühen Morgen.

Die Konsequenz ließ nicht lange auf sich warten. Ab 2014 vollzog der russische Staat eine letztmalige Veränderung und ließ die Uhren ganzjährig auf Winterzeit umstellen. Diese Stundenabfolge soll, da sind sich Schlafforscher einig, eher zur inneren Uhr des Menschen passen. Das bestätigen internationale Untersuchungen.
(Quelle: www.tagesschau.de)

Auch wenn Russland an der Zeitenwende festhält – das natürliche Faible für den „menschlichen Winterschlaf“ wird die gleichbleibende Zeiteinstellung jedoch kaum verhindern können.

Was zudem die Antriebslosigkeit im Winter fördert

Glühwein und Plätzchen
Eindeutig erwiesen ist, dass durch den verminderten Lichteinfall der Biorhythmus aus dem Takt gerät und der Mensch schlichtweg mehr Ruhe braucht. Aber es gibt noch weitere Faktoren, mit denen wir die eigene Antriebslosigkeit regelrecht forcieren.


Scheu vor Kälte und Nässe fördert Erkältungen
Ob im Frühling, Sommer oder Herbst – viele Menschen haben Freude daran, in der Natur aktiv zu sein. Wenn die Tage kürzer, dunkler und vor allem eisiger werden, treibt es allerdings immer weniger Sportler vor die Tür. Das ist schade, denn selbst geringe Mengen an Licht könnten das Befinden verbessern.
Diese selbst auferlegte Zimmer-Dunkelheit führt schließlich dazu, dass die Melatonin-Produktion nochmals weiter absinkt. Weil der Neurotransmitter nicht nur ein Hormon, sondern ebenfalls ein Antioxidans ist, steigt die Infektanfälligkeit an. Selbst wenn wir zuhause bleiben, haben Viren und Bakterien leichtes Spiel.


Üppiges Essen und zu viel Glühwein
Ob traditionelles Plätzchenbacken, die weihnachtliche Feier im Kreise der Kollegen oder der obligatorische Besuch auf dem Weihnachtsmarkt – im Winter stehen Schlemmen und Genießen hoch im Kurs. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit. Zu üppiges Essen und hochprozentige Getränke wirken sich mindernd auf die Schlafqualität aus. Dem Körper fehlt die nötige Bettruhe zur Regeneration. Wir wachen gerädert auf und können uns nochmals weniger aufraffen, endlich aktiv zu werden.

Für mehr Aktivität und Kraft auch im Winter – so bleiben Sie fit

Sport im Winter
Die fehlenden Sonnenstrahlen und die frostige Kälte lassen sich nicht leugnen. Schlauer ist es, mit den natürlichen Gegebenheiten bewusst umzugehen und den persönlichen Biorhythmus in Eigenregie zu stärken.
Die ständige Müdigkeit und das Bedürfnis nach Rückzug lassen sich mit diesen Tipps in den Griff bekommen:


Tageslichtlampe am Morgen
Das ungebremste Schlafbedürfnis und die bescheidene Laune gehen in erster Linie mit dem konstanten Mangel an Sonnenlicht einher. Leicht abstellen lässt sich die Lichtverknappung mit einer leistungsstarken Tageslichtlampe. Wer sich jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen von ihr bescheinen lässt, drosselt umgehend die Ausschüttung des müde machenden Melatonins. Dafür reichen bereits 30 Minuten aus, während dessen etwa das Frühstück eingenommen werden kann. Nach der Lichttherapie sollte man sich wach und temperamentvoller fühlen.


Feste Schlafenszeiten
Auch wenn es schwerfällt, ist eine pünktliche Nachtruhe wichtig. Deshalb sollten empfindsame Menschen auf eine regelmäßige Schlafenszeit achten und diese mit gleichbleibenden Ritualen einläuten. Selbst wenn der Körper durch die Verschiebung der inneren Uhr noch keine Bettschwere verspürt, so braucht man im Winter doch mehr Schlaf und Ruhe.


Anstrengende Aktivitäten
Natürlich ist es verführerisch, es sich während der Wintermonate zuhause gemütlich zu machen. Wissen muss man allerdings, dass der Organismus regelmäßig auf Trab gebracht werden muss, um die Akkus spürbar zu leeren. Dieser Vorgang fördert das natürliche Schlafbedürfnis, womit der Nachtschlaf gleich viel tiefer und regenerierender ablaufen kann.
Ideal sind in der kalten Jahreszeit deshalb zügige Spaziergänge an der frischen Luft oder Mannschaftssportarten, die zum Mitmachen anregen. Nur wer sich regelmäßig aufrafft und auspowert, wird anschließend erholsam schlafen können.


Wohltuende Körperpflege
Die nass-kalte Luft und die wechselnden Temperaturen zwischen drinnen und draußen irritieren Haut und Schleimhäute. Speziell sensible Menschen reagieren darauf mit einer fahlen Gesichtsfarbe oder sind anfällig für Infekte. Deshalb sollte man in den kühleren Monaten mehr Wert auf eine konstante Körperpflege legen. Dabei helfen reichhaltige und rückfettende Cremes, die täglich einmassiert werden, oder ankurbelnde Bürstenmassagen. Die Schleimhäute können mit einer Salzlösung zum Einsprühen in die Nase elastisch und widerstandsfähig gehalten werden.


An die Gefäßgesundheit denken
Die kühlen Temperaturen machen nicht nur müde und schlapp, sondern können bei Menschen mit Vorerkrankungen sogar Schlimmeres auslösen. Wer nämlich unter Bluthochdruck, Diabetes oder Schuppenflechte leidet, muss ganz besonders auf eine regelmäßige Durchblutung aller Zellen achten.
Neben wiederkehrender und moderater Bewegung lässt sich der Blutfluss durch eine erhöhte Aufnahme der Aminosäure Arginin fördern. Sie setzt spezielle Botenstoffe frei, welche die Elastizität der inneren Gefäßwände unterstützt und somit langfristig vor Ablagerungen und Entzündungen schützt. Langwierige Kälteeinwirkungen (bspw. Schneewandern, Langlauf) sollten solche Patienten besser vermeiden.

Wenn die Agilität ausbleibt: ab zum Doktor

Arzt untersucht Patient
Wer die Ratschläge befolgt aber trotzdem nicht aus dem Wintertief herauskommt, sollte sich seinem Hausarzt anvertrauen. Der Fachmann kann durch eine 24-Stunden-Messung den Körper gründlich durchleuchten. Fehlende Tiefschlaf-Phasen oder eine zu aufgeregte Herzratenvariabilität lassen sich darüber sicher aufspüren.
Der Mediziner könnte anschließend versuchen, mit natürlichen Präparaten oder synthetischen Medikamenten den Bio-Rhythmus wieder ins Gleichgewicht zu bringen.


Pflanzliche Hilfe
Als Mittel der Wahl gilt Johanniskraut. Die Heilpflanze ist gut erforscht und wirkt ähnlich wie ein leichtes Antidepressivum. In hoch dosierter Form hat die Substanz sich bei Herbst- oder Winterdepression bewährt. Langfristig eingenommen kann der Stoff nicht nur zur seelischen Ausgeglichenheit beitragen, sondern ferner zu mehr Kraft und Agilität führen.

Eine andere Möglichkeit bieten Präparate mit Passionsblume oder Hafer. Solche Mittel können den Cortisol-Spiegel im Körper senken, wodurch der Anwender sich insgesamt gelassener und ausgeglichener fühlt. Weil der Schlaf schneller eintritt und tiefer verläuft, ist der Patient am nächsten Morgen fitter und leistungsfähiger.


Aus der Apotheke
Ganz neu als Behandlungsansatz ist die gezielte Zuführung von Melatonin. Das Schlafhormon kann bereits in niedriger Dosierung zu einem erholsameren Nachtschlaf führen, ohne dass der Patient sich am nächsten Morgen beeinträchtigt fühlt. Solche Präparate sind in Deutschland verschreibungspflichtig. Eine sorgfältige Anamnese ist Pflicht.

Diesen Artikel bewerten 1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (6 Bewertungen, Durchschnitt: 4,50 von 5)
Loading...
Ulrich Carsten

Ulrich Carsten

Zertifizierter Bettenfachberater mit dem Schwerpunkt Matratzen in unserem Online-Shop Betten.de und seit 2011 Chef-Redakteur im Betten.de-Schlafmagazin.

Weitere interessante Beiträge